Nyland Stiftung

Eine Versuchsanordnung. Lyrik aus dem zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts wird in einen neuen Kontext überführt. Die Texte halten stand, weil ihnen ein Experimentiercharakter innewohnt, der jede zeitliche Einengung sprengt. Die Klang- und Geräuscharchitekturen halten stand, weil sie Distanz wahren, das Primäre, den literarischen Text, nicht antasten, sondern ihn in seinen Grundaffekten verstärken.
Hier geht es nicht um eine Vertonung von Gedichten August Stramms. Ein Verfahren, das auch schlechterdings unmöglich wäre. Stramms Texte sind auf die Destruktion sprachlicher Konventionen und syntaktischer Muster angelegt – nicht nur der Alltagssprache, sondern auch eines Lyrikkanons, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts durch die unverbindlichen Reimereien eines Otto Julius Bierbaum oder Richard Dehmel pläsierlich, altbacken und harmlos präsentierte.

Bei der vorliegenden Produktion wurden Stramms Texte in einen Raum gestellt, in dem sich – außer der Sprache – nichts befand als ein Computer. Die Suggestivkraft der Sprache wurde mit den unendlichen Möglichkeiten heutiger digitaler Klangerzeugung konfrontiert: Montagen, Überblendungen, Hall, Doppelungen, rückwärtslaufende Spuren, Verzerrungen usw. Es entstehen bedrohliche, klaustrophobische, »kalte« Klangräume, die – analog zu Stramms Lyrik – alles Gefühlige, Nette, Possierliche, Sentimentale konterkarieren. Der Suggestivkraft der Strammschen Verse wird ein pulsierender Rhythmus unterlegt, etwas Herzschlag-Einhämmerndes – bis der Puls stockt. Die Verfremdung wird jedoch nicht zum Selbstzweck. Dies zeigt sich auch an der Rolle des Sprechers, der auf jede Überpointierung und geschraubtes Pathos verzichtet. Er bleibt stattdessen nahe an der Wahrheit und Klarheit des Wortes – die Autonomie des Textes bleibt gewahrt.